Idyllischer könnte das Museum nicht liegen. Am Rande des historischen Wasserdorfes Tongli hat Liu Dalin endlich eine würdige Umgebung für seine Sammlung gefunden. Den großzügigen Garten, der die Museumsgebäude umgibt, verwandelte der renommierte Soziologe in einen einzigartigen Skulpturenpark.
Die Skulpturen im Garten, erläutert er, hätten alle etwas mit Sexualität zu tun. Die berühmten drei Affen, zum Beispiel, könnten beim Sex weder reden, noch hören oder sehen. Eine andere Skulptur wiederum symbolisiere einen Penis, wie fast alle säulenartigen Figuren im Garten. Eine Fisch- und Lotus-Skulptur dagegen stehe für die Vagina. Skulptur aus China (Foto: Bilderberg) [Bildunterschrift: Für diese chinesische Skulptur aus dem 18. Jahrhundert muss man nicht nach Schanghai fahren. Sie gehört zur ostasiatischen Sammlung des Museums für angewandte Kunst in Frankfurt am Main. Die Figur sollte als Nackenstütze dienen.]
Von sich windenden Drachen lernen
Mit seinem Museum will Liu Dalin in Erinnerung rufen, welch lange Geschichte Sexualität in China hat. Er zeigt taoistische Handbücher, die schon vor 2000 Jahren die Menschen lehrten, die Liebeskunst sich windender Drachen und tanzender Phönixe zu imitieren.
Diese Drucke, aber auch Lustobjekte aus Stein, Jade und Holz, Schlafzimmermöbel sowie kleine Porzellandöschen, in denen sich Paare in Liebesstellung verbergen, um den frisch Verheirateten eine Anleitung für die Hochzeitsnacht zu geben - all dies hat Liu seit Jahrzehnten gesammelt. Zunächst für seine eigene Forschung, dann aber, um in der ganzen Welt Ausstellungen zu bestreiten.
Verschlossene Tür öffnet sich
In Australien, Japan, den USA, Europa und Hongkong stießen sie auf großes Interesse. Nur in China galten seine Objekte lange als Pornografie. Er habe in der Vergangenheit mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt, räumt Liu ein: "Sexualität im modernen China ist wie eine Tür, die lange verschlossen war und nun halb offen steht."
Der Wandel der offiziellen Haltung sei wohl vor allem durch Aids beschleunigt worden, vermutet der Wissenschaftler. Die Regierung habe erkannt, dass sie dem Kampf gegen Aids mehr Aufmerksamkeit schenken müsse, "weil die Krankheit ansonsten das ganze Land zerstören kann. Seitdem hat die politische Führung einen offeneren und wissenschaftlicheren Zugang zum Thema Sexualität."
Jahrelanger Kampf gegen Tabus
Der mittlerweile 72-jährige Liu Dalin ist ein Vorkämpfer. Seit er Anfang der 90-er Jahre seinen Bericht über die Situation in Chinas Schlafzimmern vorlegte, kämpft der renommierte Soziologe für die sexuelle Befreiung seiner Landsleute. 1999 eröffnete er erstmals das Museum für die Sexkultur des alten Chinas.
Doch obwohl es in einer Stadt wie Schanghai inzwischen hunderte Sexshops gibt, man an jeder Ecke Raubkopien von Pornofilmen kaufen kann und in Hotels und Friseursalons die Sexindustrie boomt, gab sich die Kommunistische Partei prüde: Sie verbot dem Soziologen, zu werben. Und so konnten viele Besucher sein Museum im achten Stock eines Bürogebäudes schlichtweg nicht finden. Auch mit seinem nächsten Standort hatte Liu wenig Glück.
In die Provinz, der Liebeskunst wegen
Seit einem halben Jahr hat die weltweit größte Sammlung zur chinesischen Sexualgeschichte endlich eine feste Heimat gefunden. Die Provinzregierung von Jiangsu stellte Liu Dalin die Räume kostenlos zur Verfügung; die Einnahmen werden geteilt. Während in Schanghai zwei Drittel aller Besucher Ausländer waren, kommen nun vor allem Chinesen in die Ausstellung. Sie runden ihren Ausflug in die historische Wasserstadt, 80 km von Shanghai entfernt, mit einem Rundgang durch das Sex-Museum ab.