"Sich nicht aussätzig fühlen"
Sexologe Rolf Gindorf leitet die Schwulenberatung im DGSS-Institut


Wissenschaftliche Forschung und therapeutische Hilfestellung und Beratung leistet in Düsseldorf schon seit mehr als einem Vierteljahrhundert das DGSS-Institut. DGSS ist die Abkürzung für 'Deutsche Gesellschaft für sozialwissenschaftliche Sexualforschung', die das 'Institut für Lebens- und Sexualberatung', wie die Einrichtung eigentlich heisst, betreibt. Kennern der akademischen sozialwissenschaftlichen Forschung ist dieser Name nicht unbekannt, denn seit 35 Jahren nun schon hat sich diese Vereinigung in Forschung und Beratung in jedem Aspekt der menschlichen Sexualität einen Namen gemacht. Von Anfang an ist auch der heute 66-jährige und seit rund 30 Jahren mit seinem Mann Wolfgang glücklich verpartnerte Rolf Gindorf mit dabei, der an den Unis in Düsseldorf und San Francisco Sprachen, Wirtschaft, Soziologie, Psychologie und Sexualwissenschaft, -beratung und -therapie studiert hat. Seine Berufs-Bezeichnung: 'Klinischer Sexologe'.

Ein Sexologe ist ein Wissenschaftler, der sich mit den Problemstellungen und der Erforschung der Sexualität beschätigt. Ähnlich wie ein Biologe das Leben wissenschaftlich erforscht', erklärt Rolf Gindorf seine Tätigkeit. Ein "Klinischer" Sexologe oder Psychologe arbeitet als Berater bzw. Therapeut. Sein Engagement seit den 70er Jahren kann sich sehen lassen: Allgemeine Sexualberatung und -therapie, Bi- und Homosexualitäts-Beratung (sogenanntes Gay Counseling) und -Forschung, AIDS-Beratung und AIDS-Forschung. An Aufbau und Entwicklung der ersten sexologischen Website für Forschung und Beratung in deutscher Sprache im Jahr 1996 war er ebenso beteiligt wie an den zahlreichen Kongressen und der wissenschaftlichen und politischen Arbeit des Instituts. Auch als Autor und Herausgeber von rund 60 Fach-Veröffentlichungen, darunter 8 Bücher und 2 Buchreihen, konnte sich Rolf Gindorf, der wegen dieser Verdienste um die Sexualforschung bzw. Sexualreform mit der Magnus-Hirschfeld-Medaille ausgezeichnet wurde, einen Namen machen.

Die Schwulenberatung sieht sich trotz ihres Namens als Geschlechter-übergreifend. 'Wir sind auch Berater für Lesben, Bisexuelle, Transgender, Intersexuelle und Unsichere. Weil wir für all diese Menschen mit sogenannten heterodoxen Sexualitäten keinen klaren Sammelbegriff haben, können sie sich trotzdem angesprochen fühlen', erklärt der Sexologe. Die Beratungsinhalte sind vielfältig, denn die Hilfesuchenden kommen nicht selten mit den unterschiedlichsten Problemen, oft bis zu 30 Kontakte täglich. 'Früher konnte man unsere Klienten in drei Gruppen aufteilen: Ein Drittel waren Jugendliche mit ComingOut-Problemen, ein Drittel waren Erwachsene im mittleren Alter mit Fragen und Anliegen zu Beziehungsproblemen, und ein Drittel waren ältere Menschen, die Probleme mit Isolation und Einsamkeit hatten', resümiert Rolf Gindorf. Er erklärt jedoch auch, dass die Zahl hilfesuchender Jugendlicher seit einigen Jahren deutlich zurück gehe und führt dies auf steigende Akzeptanz zurück. - Die Beratung ist sowohl persönlich, telefonisch als auch online bzw. per email möglich; letzteres wird sogar gerade von der jüngeren Zielgruppe sehr häufig genutzt. 'Wir hören zu und versuchen zu helfen', beschreibt Rolf Gindorf die Beratungstätigkeit. 'Wir versuchen, den Menschen das Gefühl zu nehmen, Aussätzige zu sein.'

Im nächsten Herbst ist wieder ein Kongress geplant an der Universität Lüneburg ("Sexualität und Liebe"), der allerdings lediglich für akademisches Fachpersonal von Interesse ist. Schliesslich ist das Institut und vor allem sein wissenschaftlicher Träger DGSS auch eines: ein Ort für die Forschung.